Welcome to my Backstage! (German Version)
Ich ziehe den Vorhang vor meinem Backstagebereich auf und spreche über ein Thema, was mich mehr als 20 Jahre begleitet hat. Und auch nicht selten ist, in der Musikindustrie, in der ich seit 10 Jahren arbeite.
Denn es trifft oft Menschen, die
- extrem kreativ
- extrem sensibel und empathisch sind
- Erfolgs-/Performance-Druck haben
- Menschen die extrem Strahlen und im Mittelpunkt stehen
Es geht um das Thema Essstörung, genauer gesagt Bulimie. Ich lasse diese schattige Vergangenheit gerne unter den Teppich fallen, weil es mir lange schwer fiel darüber zu reden. Unangenehm ist. Noch heute bin ich verletzlich, wenn es um das Thema geht — dabei erklärt es so viel über mein “Why”. Ich hab mich geschämt, mich verteufelt und bin irgendwann unter dem Druck zusammengebrochen, den ich doch dadurch so gern von mir nehmen wollte.
Mir ist bei einem Gründen/Release meines Business klar geworden, dass ich immer noch an diesem vermeintlichen Schutzschild “Bulimie/Essstörung” festhalte, solange ich nicht davon erzähle. Damit ich nicht vorwärts kommen muss. In dieser persönlichen Hölle hab ich schließlich jahrelang Kreise gedreht — und mich ironischerweise darin sehr sicher gefühlt. Das Leid war bekannt schon fast eine Comfort Zone. Daran konnte ich gut festhalten.
Manchmal ist die die Hölle aber auch das Festhalten.
Vor allem an Dingen, die längst hinter uns liegen. Da wurde mir klar: solange ich mir selbst noch diesen Mantel des Schweigens umhülle, hindere ich mich vorwärts zukommen. Ich wühle weiter im Kofferraum der Vergangenheit, statt nach vorn zu schauen. Statt den Gang einzulegen und aufs Gaspedal zu drücken.
Dazu kommt: Man — und damit meine ich euch, dich, Menschen, die mit mir arbeiten — kann nicht verstehen, wieso ich so sehr dafür brenne, dass wir den Mindf*ck entwirren und zu unserem authentisch glücklichen Backstage-Ich kommen. Frei vom Doppelleben oder Teufelskreis aus Druck von Außen, Schuld, Scham und wieder Druck (diesmal von uns Selbst)… denn für nichts anderes ist eine Essstörung ein Symbol. Da Essstörungen mit Essen zu tun haben, ist es leicht irreführend zu glauben, dass es um Essen geht, aber das stimmt nicht.
Es geht darum, sich durch Maßlosigkeit, Selbstgeißelung und Kontrolle ein Gefühl der Sicherheit oder des Druckausgleichs zu verschaffen, und Essen (tausche es gern mit anderen Dingen wie Sex, Drogen, Alkohol, Sport…) ist nur ein Mittel, um das zu erreichen.
Die Bulimie ist dabei eine Essstörung, bei der es vor allem um den Versuch geht, mit Feinfühligkeit, emotionalem Schmerz und gesellschaftlichen Konstrukten fertig zu werden. Schon ganz klein lernen wir brave Mädchen und echte Jungs zu sein — fangen an unsere Persönlichkeit zu verstecken, um so zu werden, wie die Welt uns haben will. Wir negieren uns und unsere Wahrnehmungen oder Gefühle und fügen uns ein. Uns wird gesagt:
“Diese Gefühle darfst du haben, diese nicht. Ein Mädchen hat sich so zu benehmen und nicht anders. So sieht der Körper aus, den du anstreben musst. Daran sollst du glauben. Das gehört sich und das gehört sich nicht. Das ist zu viel… das zu wenig… und das ist das Leben, das du zu wollen hast. Hör auf zu träumen… sei nicht eigensinnig… sei lieber vernünftig und pass dich an!”
Wir schauen über die Schulter in meine 20er auf ein sehr sensibles Mädchen in der Musikindustrie — immer mit einer strahlenden Maske nach Außen. Immer gut gelaunt, irgendwie putzig. Eine wilde Biene, die für jeden Spaß zu haben ist. Für lange Arbeitstage und auch für lange Partynächte. Dieses Mädchen ist wahnsinnig gut darin, auf ihr Außen zu achten… immer bedacht, dass es sich perfekt an die Umgebung anpasst und bloß nicht abgelehnt wird — kleiner Spoiler: ist trotzdem oder gerade deswegen oft passiert.
Everybodys Darling zu sein ist ein 168 Std-Fulltime Job, der mit viel Druck einhergeht.
Im geschäftigen Treiben des TV und Musikbusiness-Dschungels ließ sich vieles — vor allem Gefühle — gut überdecken, indem ich diese Energien in Aktionismus übersetzte: wenig Schlaf, ständig unterwegs, immer am Pläne schmieden… Endlos auf Trab, Trab, Trab. Tim Böning hat in seinem Artikel in der Musikwoche neulich so schön ehrlich geschrieben
“Dieser Job kann gefährlich für die Birne sein.
Das kann ich unterschreiben. Hin und her, vor und zurück, von einem Extrem zum anderen. Wer nicht allzu genau hinsah, hat dabei meine Typ-A-Effizienz bewundert. “Wow, was du alles machst!” — Aber hätte man nur ein wenig hinter meinen Vorhang geschaut, hätte man festgestellt, dass ich mich auf Trab hielt, um mich von meinen Problemen abzulenken. Die passten nämlich nicht auf die Bühne von Elena Schirm. Zur Maske im Außen.
Ich bin im Außen dafür bekannt, dass ich immer strahle und alles in meinem Job positiv sehe oder die Balance dahingehend schaffe. Ich dachte, man wollte mich nicht “schlecht” gelaunt, gestresst, traurig, wütend — menschlich. Dafür hatte man mich nicht eingestellt.
Mit 27 nach wilden Jahren in der Musikbranche, der Berliner Partyszene und “Immer allen alles recht machen” hatte ich einen Mental Breakdown — klassischer Nervenzusammenbruch — und musste mir eingestehen, dass während ich im Außen alles so gut balancierte, etwas in mir selbst völlig aus dem Gleichgewicht geraten war. Welch eine Ironie.
Ich bin wie viele künstlerische Menschen, sehr feinfühlig, visionär denkend und kreativ, was eine Menge Druck erzeugt hat — den Druck mich anzupassen, perfekt zu sein, nett zu sein, kreativ zu sein, schön zu sein und gut genug zu sein. Druck entstand auch durch Konzepte, die wir von einer Gesellschaft anerzogen bekommen, die uns genau sagt, wie sie uns haben will.
There’s No Business like Showbusiness!
In dem berühmten “Showbusiness-Mantra” von Iirving Berlin geht es darum, durchzuhalten, wenn alles im Leben gegen einen zu sein scheint. Es geht darum, niemals aufzugeben, durch die Tränen hindurch zu lächeln und das zu liefern, was man versprochen hat, weil man für ein höheres Ziel arbeitet, selbst wenn es nur darum geht, das Leben der Menschen für ein oder zwei Stunden mit einem Konzert zu verschönern.
Es gibt kaum Menschen, die so lächeln wie Showbusiness-Leute, wenn sie niedergeschlagen sind. In “There’s No Business Like Show Business geht es darum, weiterzumachen, auch wenn einem nicht danach ist. Vor allem, wenn man keine Lust hat.
Ich habe aus den letzten 10 Jahren und meiner Geschichte gelernt, wie zutreffend die Analogie des “traurigen Clowns” im Showgeschäft ist und wie befreiend es ist, das Spotlight umzudrehen und es auf den persönlichen Backstagebereich oder das authentische Selbst scheinen zu lassen.
Let’s face it: Menschen wollen keine schlecht gelaunten, traurigen Künstler*innen auf der Bühne sehen — außer sie singen vielleicht eine fühlige Ballade oder füttern die Gier der Klatschpresse. Die, die am Business interessiert sind, wollen ihr Leben nicht in Moll sehen. Sie wollen das Strahlen, ihre Power, dass sie die Fans zum Toben bringen, Platten verkaufen. Auch wenn ihnen gerade nicht danach ist.
Wenn das Rampenlicht ausgeht und der Vorhang fällt, sind alle hinter der Bühne Menschen. Menschen, die persönliche Themen haben und Druck verspüren. Sei es dieser ständige Druck, auf Knopfdruck zu performen — ob neben der Bühne oder darauf — oder sich in Hochform zu bringen, mit anderen zu vergleichen und ständig kreativ “auf Sendung” zu sein. Diesen Druck wollen wir Menschen immer wegmachen — womit wir wieder bei Party, Sex, Essen, Drogen, Alkohol, Sport & Co. wären.
Dadurch werden wir aber wieder von unserem authentischen Selbst — der inneren Stimme — weggetrieben, das wiederum die Quelle für Inspiration und Kreativität ist. Der Kanal wird verstopft und irgendwann geht gar nichts mehr. Burn-Out. Bore-Out. Depression. Teufelskreis — Here we go!
Durch meine Therapie habe ich 2016 angefangen, zu verstehen wer ich denn wirklich bin und WIE ich bin: Hochsensitiv. Dabei habe ich immer gedacht, ich bin einfach nur zu empfindlich. -Eigentlich hab ich eh immer gedacht ich sei immer “zu…-irgendwas”.
Zu viel, zu wenig, zu laut, zu schnell, zu eigensinnig, zu faul, hab ich abgenommen war ich zu dünn, meist zu dick… und im Vergleich mit anderen hab ich eh immer verloren. Viele Artists kennen das.
Bewertungen im Inneren, Bewertungen im Außen — Daily Business.
Hochsensitivität bedeutet eigentlich nur, sehr viel mehr wahrzunehmen — was eine Superpower ist. Diese Hochsensitivität, bewusst eingesetzt, ist ein wahnsinnig gutes Vessel für Kreativität und Ideen, die in die Welt möchten. Nicht erkannt und gesellschaftlich akzeptiert führt sie zu Reizüberflutung, schwierig oder „zartbesaitet“ sein. Vor allem in einer Welt, die auf Performance und “One Size fits All” ausgerichtet ist.
Es wundert mich nicht, dass viele Hochsensitive Künstler*innen sind. Sie sind dadurch in der Lage, viel feinere Informationen wahrzunehmen und zu interpretieren. Ihre Saiten schwingen leichter, um bei diesem Bild zu bleiben. Und das ist großartig und macht Musik so besonders. So magisch.
Hochsensitive haben oft ein anderes — ver-rückt-eres — Bild von Dingen und oft das Problem, dass sie über ihre Wahrnehmungen nur mit wenigen Menschen reden können — oder sie im besten Fall in Musik kanalisieren. Und dann haben wir das gewisse Etwas.
Etwas, dass so noch nicht da war. Uns berührt, uns begeistert, weil es uns einen neuen Raum aufmacht, den wir vorher noch nicht gesehen oder gefühlt haben. Das ist Kunst. Das ist das, was uns alle daran doch so fasziniert. Oder?
Artists müssen — wie ich damals — lernen, dass sie nicht „verrückt“ sind und wie sie ihre Fähigkeiten als Gabe nutzen können, statt sich selbst zu zerstören, nichts mehr fühlen wollen und den Mindf*ck übernehmen zu lassen.
Kreativität braucht Verletzlichkeit.
Ich habe gestern die Netfix-Dokumentation ‘Brené Brown: The Call to Courage” gesehen (if you haven’t seen it, go watch it immediately!) und bin wieder daran erinnert worden, wie unumgänglich Verletzlichkeit ist, wenn wir etwas kreieren und verändern wollen. Es ist nicht möglich ohne…
Es hat mich inspiriert diese Zeilen zu schreiben. Mich zu offenbaren. So lange es erfolgreiche Kunst gibt, gibt es auch Menschen, die ihre Seele offenbaren. Das ist nie einfach und erfordert viel Mut, vor allem in Anbetracht der heutigen Schreihälse, Sesselkritiker oder Fackelmobs in den sozialen Medien.
Diese nehmen die Unsicherheit von Künstler*innen gerne, um das Privatleben und die intimen Beziehungen erforschen. Das auseinander zu nehmen, das mit so viel Herzblut gezeigt wird. Weil wir es alle verlernt haben, selbst verletzlich zu sein und lieber zu schauen, was bei Anderen, sensibleren Menschen, los ist als bei einem selbst. Die aus dem Raster fallen, die verrückt sind und Gesprächsstoff liefern.
Dann, in diesen Momenten erscheint das eigene Leben weniger grau, weil die Person, die den Mut hatte, sich verletzlich zeigen. Das inspiriert. Vielleicht nicht in dem Moment, wo sie komische Blicke erntet. Aber später… Denn dieser Mut erlaubt anderen, auch mutig zu sein und sich verletzlich zu zeigen. Etwas anders zu machen.
Ich mache das hiermit, indem ich meine Geschichte erzähle, die mich mit so viel Herzblut und Leidenschaft in dieser Branche fast kaputt und dann meine Superpower hat entwickeln lassen: Die nötige Feinfühligkeit hinter die Masken zu schauen und die Menschen zu supporten, die unter dem Druck des Verstandes fast zusammenbrechen. So wie ich einst.
Ich wünsche mir, dass das Scheinwerferlicht auch auf den persönlichen Backstage Bereich von Künstler*innen und den Menschen, die mit ihnen arbeiten, fällt und das Konzept von Mindfuck Management und das Thema Mental Health zur Normalität wird.
Ganz einfach, weil wir alle, vor allem Künstler*innen ein stabiles seelisches Gerüst brauchen. Den Zugang zu uns Selbst brauchen, um diese Magie auf der Bühne zu erschaffen, ohne die die Welt sehr viel grauer wäre.
Künstler*innen sind keine (Promotion-)Maschinen und deshalb braucht es kompetente, gleichgesinnte Menschen, die sie auf ihrer kreativen Reise mit dem richtigen Mindset begleiten.
Hier komme ich ins Spiel. Happy to help!