Intuition vs. Angst — Oder: Verlass dich nicht immer auf’s Bauchgefühl
Neulich fragte mich einer meiner Klient:innen im Coaching “Woher weiß ich, wann ich meiner Intuition vertrauen kann und wann nicht?” Er hatte mehrere Situationen erlebt, in denen er ein negatives Bauchgefühl hatte, das er ignorierte und später herausfand, dass das Ignorieren des Gefühls das Beste war, was er hätte tun können.
Er fragte sich zurecht „Warum der Intuition vertrauen, wenn sie sich auch irren kann?“ Eine interessante Frage, sagt man doch, dass die Intuition immer den richtigen Weg zeigt.
Der Punkt war, dass der Klient Intuition mit Angst verwechselt hat. Keine Seltenheit. Denn viele von uns „Kopfgesteuerten“ sind aus dem Kontakt mit unseren (Bauch)Gefühlen geraten. Wir sind so sehr mit unseren analytischen Gedanken und rationalen Überlegungen beschäftigt, dass es schwer zu verstehen ist, was unser „Gefühl im Bauch“ nun gerade bedeutet. Was will es mir sagen? Woher weiß ich, wann mein Gefühl Angst, und wann es Intuition ist? Und wann kann ich dem Gefühl in der Bauchgegend vertrauen?
Dazu muss man zu nächst zwischen zwei Sorten von Gefühlen unterscheiden:
Das auf Angst basierende Bauchgefühl → konditionierte Gefühle
Gefühle, die durch rationales Denken, Meinungen, Vorurteile oder Erfahrungen bestimmt werden. Aber auch durch veraltete Glaubenssätze oder eine verzerrte Wahrnehmung.
Das auf Intuition basierende Bauchgefühl → intuitive Gefühle
Gefühle, die aus unerklärlichen Gründen plötzlich auftauchen. Es ist eine innere Stimme, Farbe oder ein Bild, das zu uns „spricht“ und erstmal nicht rational erklärbar ist.
Beginnen wir aber mit den Grundlagen…
WAS IST INTUITION?
“Intuition” ist so alt wie die Menschheit. Bereits in der griechischen Mythologie ist von dem Gott „Kairos“ die Rede. Kairos ist der Gott-des-rechten-Augenblicks. Man schrieb ihm die Gabe des richtigen Moments zu, in dem Entdeckungen gemacht wurden oder schicksalhafte Begegnungen passierten. Kairos macht uns das Geschenk der Eingebung, der kreativen Einfälle, die scheinbar aus dem Nichts kommen. Darstellungen Kairos zeigen ihn mit langem, an der Stirn hängenden Zopf, bei dem man die günstige Gelegenheit packen konnte — wenn man ihn denn erwischte. Daher — so meinen Philologen — kommt auch die Metapher „Die günstige Gelegenheit am Schopf packen“. Heute sagen wir, anstatt von Kairos zu sprechen, es ist unsere „Innere Stimme“, die Stimme unserer Intuition, die als Impuls aufkommt. Das leise Flüstern in uns. Unser Instinkt.
Intuition ist demnach die Fähigkeit, etwas instinktiv zu verstehen, ohne dass es einer bewussten rationalen Argumentation bedarf.
Ganz ohne kognitive Einflüsse geht das allerdings nicht: Die Intuition verknüpft unseren Körper, die Gefühle und den Geist mit dem, wie wir das bisher Erlebte verdaut haben. Dieses Netz aus Fakten und Emotionen fühlt man dann als belebend oder freudig nervös, wenn die Intuition, „Ja!“ sagt oder als zusammenziehend, beklemmend wenn sie „Nein!“ rät. So ermöglicht sie eine sehr schnelle Einschätzung der Gegenwart. Eine Einheit, die wie eine Kompassnadel für die bestmögliche Entscheidung funktioniert.
„Intuition ist unbewusste Intelligenz und sagt uns, was wir machen sollen.“ meint auch Gerd Gigerenzer, Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. Er beschäftigt sich seit Jahren mit intuitiv erworbenen Wissen. “In weiten Bereichen unserer Gesellschaft gilt Intuition als verdächtig”, so Gigerenzer. Sie wird als göttliche Eingebung oft missverstanden, weil sie gegen die Gesetze der Logik verstößt.
Schauen wir uns aber große Wissenschaftler wie Albert Einstein oder Newton an. Auch sie profitierten von dem Impuls der Intuition. Sie nutzen zwar logische Argumente, um ihre Thesen aufzustellen, folgten zu Anfang aber einem intuitiven Impuls. Viele Erfinder und erfolgreiche Künstler sprechen davon, dass „etwas in ihnen hochkam“ und die Saat säte, die am Ende zur Pflanze oder in dem Fall Erfindung wurde.
DER UNTERSCHIED ZWISCHEN ANGST UND INTUITION
Es gibt Möglichkeiten, Bauchgefühle, die auf Angst basieren, von Bauchgefühlen zu unterscheiden, die Intuition signalisieren. Der wichtigste Unterschied ist, dass Intuition sich auf das JETZT konzentriert, ohne sich um die Vergangenheit und Zukunft zu sorgen. Sie ist emotionsloser und leiser im Vergleich zur Angst, die mit dunklen und schweren Gefühlen einhergeht. Intuition fühlt sich richtig an, ohne übermäßig positive oder negative Gefühle auszuschütten. Angst hingegen kreiert ein lautes, alarmierendes, stressvolles Gefühl. Sie kommt meist mit Drama einher.
Was durchaus lebensrettend sein kann. Denn Angst ist ein urmenschliches Gefühl. Sie hilft uns Gefahren zu erkennen und darauf zu reagieren. Begründete Angst mobilisiert die nötige Energie, um entschlossen zu handeln und Schutzmaßnahmen zu ergreifen und das mit Flucht oder Angriff. Die Muskeln spannen sich an, das Herz schlägt schneller, Stresshormone werden ausgeschüttet. Körper und Geist sind hochkonzentriert und leistungsbereit. Das war für unsere Vorfahren, die vor Säbelzahntigern flüchten mussten natürlich lebensrettend. In unserer heutigen Zeit sind die meisten Angst-Situationen aber keine unmittelbare Bedrohung mehr. Trotzdem reagiert unser Körper im gleichen Modus, zB. bei einem Zahnarztbesuch oder dem Feedbackgespräch mit dem Vorgesetzten.
WARUM IST ES SO SCHWER, AUF UNSERE INTUITION ZU HÖREN?
Seit der Zeit der Aufklärung wird die Vernunft („Ratio“) also Logik und Denken als erstrebenswertes Prinzip verehrt. Die Intuition galt eher als Option für diejenigen, die sich nicht der Vernunft bedienen können. Sie galt lange als verdächtig und unzuverlässig, ähnlich den weiblichen Emotionen als zweitklassig — dem Nachdenken immer unterlegen. Schon in der Schule heißt es, dass man „Nachdenken muss, wenn man Lösungen haben möchte“.
Dazu kommt, dass es Stille bzw. den Blick nach innen bedarf, um auf seine Intuition hören zu können. Gar nicht so leicht in täglichen Informationsflut gepaart mit den Medien und den vielen Meinung in unserem Umfeld.
Über viele Jahre habe ich meine Intuition nicht wahrgenommen. In der Schule hieß es ja schon „Wenn du eine Lösung brauchst, dann DENKE nach“. Also dachte ich immer, statt mal zu fühlen. Ich richtete mich nach Meinungen aus dem Außen, um eine Lösung zu finden. Ich lebte ausschließlich im Kopf und habe nach logischen Argumenten gehandelt. Das Resultat: Das Leben war ziemlich anstrengend, irgendwie nie ganz passend und ich durfte dazu oft auf die Nase fallen.
WARUM WIR UNSER INTUITION VERTRAUEN SOLLTEN
Unser rationales und logisches Denken kann nur auf Wissen und Ängste zurückgreifen, das aus unserer Vergangenheit stammt. Es wiegt ständig Pro und Contra auf und verheddert sich dann in den ganzen Fakten. Wie soll denn da Innovation und neues Denken entstehen? Wir brauchen also unsere Intuition ansonsten bleiben wir in alten Mustern gefangen.
GEHT DAS AUCH IM JOB?
Glücklicherweise gewinnen Emotionen und somit die Intuition im Business wieder an Bedeutung. Fühlen ist dabei das neue Führen. Mittlerweile zeigen Studien, dass intuitives Entscheiden — auch auf oberster Ebene — zu schnelleren und effizienteren Entscheidungen führt und Arbeitsabläufen führt. Immer mehr Manager vertrauen ihrer Intuition, wenn es um endgültige Entscheidungen geht. Vorausgesetzt, man kann die innere Stimme gut hören. Das kommt vor allem bei wichtigen Personalentscheidungen gewinnbringend zum Tragen.
In unserem Corporate Potential Programm geht es übrigens darum, das Mysterium um diese traditionsreiche Praxis aufzubrechen und für JEDEN zugänglich zu machen. Mit (neuro-) wissenschaftlichen Ansätzen und alltagstauglichen Werkzeugen wird jeder Teilnehmer abgeholt und nachhaltig begleitet.
WIE LERNEN WIR (WIEDER) UNSERER INTUITION ZU FOLGEN?
- ACHTSAMKEIT & STILLE
Stille hilft uns die Intuition wieder wahrzunehmen. In unserer ziemlich lauten Welt sind wir ständig durch Reize abgelenkt, sodass es uns schwer fällt nach innen zu horchen. Statt auf einen Bildschirm oder das Telefon zu schauen oder gedanklich schon wieder bei der Einkaufsliste für deinen Feierabend zu sein, während du eigentlich etwas anderes machst, fühl mal einen Moment, wie sich dein Körper anfühlt. Spüre, was in dir aufkommt, wenn sich die Gedanken und Eindrücke (wie bei einer geschüttelten Schneekugel) mal beruhigen. Oder geh eine Runde spazieren, nimm mal wahr, was du dabei siehst und sei einfach nur bei der Sache, im Moment
2. MEDITATION
Setz dich hin, mach die Augen zu, hör auf im Außen zu sein und richte den Blick mal richtig nach Innen. Konzentriere dich auf deinen Atem, lass die Gedanken vorbeiziehen und höre nicht auf den Affenzirkus an Gedanken…
Wenn wir meditieren, werden wir uns unserer (meist konditionierten) Gefühle und Gedanken bewusst. Von denen es ca. 50.000 Stück am Tag gibt — Wow. Klar, dass uns das überfordert und unfokussiert werden lässt. Bei der Meditation beobachten wir diese Gedanken und stellen fest, wie unnötig, negativ und falsch sie teilweise sind. Das gibt Gelassenheit, denn durch die Position des „Beobachters“ nehmen wir Abstand von der kritischen Stimme im Kopf. Je mehr wir unsere Gefühle und den scharfen Verstand harmonisieren, indem wir uns nicht mit ihnen identifizieren, umso besser können wir Intuition von Angst unterscheiden. Dafür reichen schon ein paar Minuten täglich. 7Mind, Headspace oder Insight Timer sind z.B. wundervolle Meditations-Apps für mehr Bewusstsein, Intuition und Kreativität.
3. UNSER UNTERBEWUSSTSEIN VON ALTEN ÄNGSTEN BEFREIEN
Jeder von uns trägt einen Rucksack mit alten Traumata und blockierenden Gefühlen, mit sich, die wir über die Jahre erfolgreich verdrängt haben. Das äußert sich ganz gern als Unzufriedenheit, Gereiztheit aber auch in Krankheit oder Sucht (z.B. Rauchen). Wenn man seinen Kleiderschrank an Altlasten mal ausmistet und wir unser Unterbewusstsein von alten Konditionierungen befreien, fällt es uns leichter die Intuition zu hören, weil sich Ängste auflösen. Da kommen wir in den Bereich der Persönlichkeits-ENT-WICKLUNG.
ZUSAMMENGEFASST
Angst und Intuition sind leicht zu verwechseln, und das hat damit zu tun, dass sie beide als “Bauchgefühl” erlebt werden: ein Gefühl in deinem Bauchraum.
Es gibt Möglichkeiten, Bauchgefühle, die auf Angst basieren, von Bauchgefühlen zu unterscheiden, die Intuition signalisieren.
Die beiden wichtigsten Dinge, die Angst und Intuition trennen, sind
1) Intuition, bei der es nur um die Gegenwart geht. Es gibt KEINE Sorge um die Vergangenheit oder die Zukunft, sie fühlt sich richtig an.
2) Intuition ist neutral, emotionslos, während Angst sehr emotional geladen ist
Weitere Merkmale:
Intuition Neutral, unemotional, vermittelt eine Art „bauchzentrierte“ Zustimmung oder ein zielgerichtetes Gefühl, Konzentriert sich auf die Gegenwart, Ignoriert ungelöste psychische Wunden/Altlasten, Fühlt sich ausgedehnt, motivierend und weit an
Angst hochgradig emotional aufgeladen (ängstlich, schwer), Abwertende, ängstliche, oder zweifelnde Gedanken (über sich selbst oder andere), konzentriert sich auf die Zukunft oder Vergangenheit, reflektiert vergangene und psychische Wunden, fühlt sich restriktiv oder kleinmachend an
Zuverlässige Intuition fühlt sich also richtig an, sie hat einen mitfühlenden, bestätigenden Ton. Es bestätigt, dass du auf Kurs bist, ohne ein übermäßig positives oder negatives Gefühl dafür zu haben.
Du brauchst Support?
www.elenaschirm.de
Ich begleite nicht nur Bühnenpersönlichkeiten, sondern auch jeden anderen Menschen in 1:1 Coachings & Beratung.
Schreib mir eine Mail an hello@elenaschirm.de und wir schauen, wo bei dir der Schuh drückt und wie ich dir helfen kann, damit du deiner Intuition endlich vertraust.
Ich freu mich auf dich!